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Über die Qualen eines Königs

  • xaverlichtenberg
  • 19. Okt. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.

Echt tierisch Christian Niederlein berichtet von Tieren aus Qualzuchten.


Foto: pexels-pixabay
Foto: pexels-pixabay

Es hört sich wirklich schlimm an. Laut schniefend und keuchend wird King in unsere Praxisräume getragen. Was wir da sehen und vor allem hören, ist allerdings eher wenig königlich.


Auf dem Tisch sitzt ein kleiner Hund mit weit aufgerissenen, ängstlich dreinblickenden Kulleraugen – so, als wollte er fragen: „Was passiert mit mir gerade?“ Schnell ist klar, welches vom Menschen gemachte Problem King bei den jetzigen Temperaturen ausbaden muss. Er droht zu ersticken!

Nein, nicht etwa wegen einer allergischen Reaktion oder einer Lungenentzündung. King bekommt ganz einfach zu wenig Luft durch seine Nase und kann deshalb seine Körpertemperatur auch nicht mehr regulieren. Dies ist das Ergebnis züchterischer Arbeit. King ist eine französische Bulldogge und gehört damit zu einer Rasse, die man mittlerweile als Qualzucht bezeichnet, weil die Tiere an den ihr angezüchteten Rassemerkmalen leiden. Natürlich finden wir diese Hunde auch sehr liebenswert, denn sie haben meist einen sehr guten Charakter.


Fast alle unserer Kunden, die eine kurznasige Hunderasse besitzen, und das sind recht viele, haben früher oder später einmal ähnliche Probleme wie nun Kings Halterin. In solchen Situationen bereuen sie mitunter die Entscheidung für eine solche Rasse. Es sind aber in aller Regel doch sehr verantwortungsvolle Menschen, und sie machen alles Mögliche für ihre Lieblinge. Genau das ist charakteristisch für die Halter solcher Rassen: Die Hundeliebe ist bei ihnen oft besonders stark ausgeprägt und sehr emotional. Deshalb sollte man auch nicht einfach pauschal urteilen.



Kings Halterin zum Beispiel wirkt sehr verliebt in ihren kleinen Racker. Und sie leidet jetzt auch selbst sichtlich unter der lebensbedrohlichen Situation ihres Schützlings. In vielen Fällen können Tierärzte durch Operationen die Not lindern oder so wie bei King, mittels Sauerstoffzufuhr, Infusionen und Kühlung die Situation entschärfen. Ich frage mich allerdings, ob so etwas auf Dauer wirklich sinnhaft ist.


Unser Berufsstand hat sich dazu klar positioniert und eine Informationskampagne zu Qualzuchten ins Leben gerufen. Ich hoffe deshalb, dass sich alle potenziellen Hundekäufer bereits vor dem Kauf mit den rassespezifischen Gesundheitsproblemen wie Atemnot, angeborener Taubheit, Herzerkrankungen oder auch Skelettmissbildungen und vielem mehr beschäftigen. So kann jeder eine verantwortungsvolle Entscheidung hinsichtlich der Auswahl eines geeigneten Tieres treffen – dann hoffentlich gegen die Anschaffung eines zu einer Qualzuchtrasse gehörenden Tieres. Weniger Nachfrage bedeutet eben letztlich auch weniger Nachzucht.


Vergleichbares gilt insbesondere auch für einige Rassekatzen und andere Haus- und Heimtiere. Weil Züchter die Probleme oft verharmlosen oder die Tiere als rückgezüchtet und damit zum Beispiel als freiatmend anpreisen, empfehle ich jedem Interessierten unbedingt, einen Kaufberatungstermin in einer versierten Tierarztpraxis zu vereinbaren. Diese Entscheidung wird sich lohnen!


Christian Niederlein leitet seit 1996 seine Tierarztpraxis im nördlichen Saalekreis. Der 56-Jährige behandelt als praktischer Tierarzt, Tier-Chiro- und -Heilpraktiker gemeinsam mit seinem Team Pferde- und Kleintierpatienten. In dieser Kolumne schreibt er regelmäßig von seinen Tierabenteuern.

 
 
 

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