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Ein Ausflug mit ungeplanten Ausgang

  • xaverlichtenberg
  • 19. Okt. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.

Echt tierisch Christian Niederlein über seinen Traumberuf Pferde-Tierarzt


Foto: pexels-helena-lopes
Foto: pexels-helena-lopes

Es ist Sonntag und wir beschließen, einen Ausflug in den Harz zu machen. Gesagt, getan. Am Abend können wir dann vielleicht noch etwas essen gehen. So der Plan. Aber mit den planbaren Dingen ist es so eine Sache, zumindest dann, wenn man als selbstständiger Tierarzt auch eine größere Pferdekundschaft betreut. Das weiß man, seitdem man sich mit diesem Berufsbild beschäftigt hat. Während für die reinen Kleintierpraxen ein gut funktionierendes Bereitschaftssystem die Wochenenden in einem erträglichen Maß mit Diensten belastet, ist das im Pferdebereich komplizierter: Wenige Praxen sind in dem Bereich aktiv, und gerade bei jüngeren Kollegen spielt die Work-Life-Balance oft eine wichtigere Rolle.


Durchgehende Dienstbereitschaft ist eigentlich von einzelnen selbstständigen Tierärzten nicht zu bewältigen. Dazu bräuchte man mehr tierärztliches Personal. Trotzdem ist es eher Regel als Ausnahme, dass die wenigen im Pferdebereich tätigen Tierärzte eine weitreichende Dienstbereitschaft anbieten.


So kommt an diesem Sonntag dann auch der obligatorische Sonntagsabends-Kolik-Patient. Es ist ein älterer Wallach, der schon seit vielen Jahren von uns behandelt wird. Die Besitzer machen sich Sorgen, weil er aufgehört hat zu fressen und sich hingelegt hat. Das bedeutet für uns eine Planänderung. Erst fahren wir zurück, dann zum Patienten und anschließend doch noch etwas essen. Es ist aber leider nicht mehr im Harz und auch schon später. Kein Problem.



Am Montag dann meldet sich plötzlich mein Rücken. Gut, dass der rechte Fuß seit voriger Woche schon angeknackst ist, da fällt das jetzt auch nicht mehr auf. Ich beschließe trotzdem, die an dem Tag noch verbliebenen Termine zu verschieben und etwas für die Gesundheit zu tun. Das wäre aber viel zu schön gewesen... Am Abend wird mir mitgeteilt, dass der Trakehner „Very Important“ auf der Seite liegt. Da gibt es keine Diskussion. Der Patient ist 31 Jahre alt, wir haben schon öfter eine solche Situation erlebt. Bislang konnten ihm Infusionen und Medikamente immer wieder auf die Beine helfen. Leider ist sein Stall nicht gerade um die Ecke, ich bin erst um kurz vor drei Uhr zu Hause. Am nächsten Morgen erfahren wir, dass er dieses Mal nicht wieder dauerhaft zum Stehen kommt. Deshalb wird es am Vormittag mein letzter Besuch bei ihm sein. Eine vernünftige Entscheidung, die der Besitzerin nicht leichtgefallen ist.


Fragt man sich selbst, warum man das alles macht, dann gibt es nur einen Grund: Absolute Leidenschaft für die Pferde! Wenn man dazu noch einen Kundenkreis aus netten, gleichgesinnten Pferdemenschen hat, dann macht man es auch mit großer Freude für diese Besitzer. Für die ständigen Nörgler und Wechselkunden aber, die vergessen, gute Medizin auch wertzuschätzen, könnte es in Zukunft schwer werden, jemanden zu finden, der sich auch an Wochenenden und nachts engagiert. Wer sich nur negativ über die neue Gebührenordnung für Tierärzte auslässt oder bei planbaren Terminen den Feierabendpraktiker mit dem super Preis-Leistungsverhältnis bevorzugt, kann nicht erwarten, dass junge Kollegen überhaupt noch in der Region beschäftigt werden können. Die brauchen wir aber dringend.


Christian Niederlein leitet seit 1996 seine Tierarztpraxis im nördlichen Saalekreis. Der 56-Jährige behandelt als praktischer Tierarzt, Tier-Chiro- und -Heilpraktiker gemeinsam mit seinem Team Pferde- und Kleintierpatienten. In dieser Kolumne schreibt er regelmäßig von seinen Tierabenteuern.

 
 
 

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