top of page
struktur_background.webp

Happy End trotz langem Schrecken

  • xaverlichtenberg
  • 19. Okt. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.

Echt tierisch: Christian Niederlein rettet ein eingeklemmtes Pferd.


Foto: pexels-claudia-schmalz
Foto: pexels-claudia-schmalz

Wenn es personell am ungünstigsten ist, passieren oft die schlimmsten Dinge: Es war im März 2006, als ich ausnahmsweise mit nur einer Angestellten Dienst hatte. Auf dem OP-Tisch liegt ein großer Rüde. Bereit zur Kastration. Plötzlich klingelt das Telefon. Ein Anruf aus dem heutigen Salzlandkreis: Ein dringender Notfall! Ein Pferd hat sich bei der Überquerung einer schmalen Fußgängerbrücke derart erschreckt, dass es ausgerutscht ist, sich festgekeilt hat und nun nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen kann.


Mit den Bildern des armen Pferdes im Hinterkopf bemühe ich mich, die Kastration des Hundes möglichst rasch zu vollenden.



Eine halbe Stunde später setze ich mich ins Auto und düse nach Crüchern bei Bernburg. An der Brücke wartet die frischgebackene Pferdebesitzerin auf mich. Nur eine mir bekannte, erfahrene Stallbetreiberin konnte ihr bisher zu Hilfe eilen. Selbst die längst gerufene Feuerwehr ist noch nicht da. Das Pferd – eine Vollblutstute namens Kentucky Women, der Zucht nach ein Rennpferd – liegt hilflos festgekeilt auf dem schmalen Übergang. Eine schwer lösbare Aufgabe. Kentucky Woman hängt mit dem linken Fesselgelenk eingekeilt in einem Pfosten, mit dem rechten Hinterbein unter dem Geländer auf der Brückenkante und strampelt. Mit jeder Bewegung werden ihre Verletzungen größer. Ich versuche, zu ihrem Kopf zu gelangen und balanciere über sie hinweg auf dem ersten Querträger des alten Brückengeländers.


Keine Frage: Für einen Transport muss ich sie erst einmal sedieren. Doch ganz so einfach ist es nicht. Kaum habe ich dem verängstigten Tier das Beruhigungsmittel von oben in die Halsvene verabreicht, rutscht die Stute mit der gesamten Hinterhand unter das Geländer und hängt mit ihrem ganzen Gewicht an dem eingekeilten linken Fesselgelenk. Jetzt muss es schnell gehen: Ich trete beherzt gegen den Huf, das Bein löst sich ruckartig und Kentucky Woman fällt in den etwa fünf Meter tiefer fließenden kalten Fluss. Sofort springt die Stallbetreiberin die steile Böschung hinab ins Wasser und rettet den Kopf des Pferdes über Wasser. Wo bleibt die Feuerwehr?


Nach einer gefühlten Ewigkeit treffen die Einsatzkräfte ein. Anstelle von Seilen legen wir die Feuerwehrschläuche um das Pferd und ziehen es mit vereinten Kräften an Land. Völlig erschöpft und an drei Beinen schwer verletzt liegt das Tier nun oberhalb der Böschung. Ich eile zum Auto und hole Infusionen und weiteres Werkzeug. Endlich kann ich der Stute auch medizinisch helfen.


Einige Stunden später ist sie wieder kräftig genug, um aufzustehen und aus eigener Kraft zum Pferdehänger zu gehen. Sechs Wochen lang dauert die aufwendige Behandlung später in unserer Praxis.


Ihre damalige Besitzerin wird wohl nie wieder versuchen, mit einem Pferd eine derartige Brücke zu überqueren. Und die Stute? Die ist mittlerweile hochbetagt, aber gesund – und nach meiner Kenntnis in einem neuen Zuhause in der Lausitz.


Christian Niederlein leitet seit 1996 seine Tierarztpraxis im nördlichen Saalekreis. Der 56-Jährige behandelt als praktischer Tierarzt, Tier-Chiro- und -Heilpraktiker gemeinsam mit seinem Team Pferde- und Kleintierpatienten. In dieser Kolumne schreibt er regelmäßig von seinen Tierabenteuern.

 
 
 

Comments


bottom of page