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Wenn Raser einfach nicht vom Gas gehen

  • xaverlichtenberg
  • 19. Okt. 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 8. Apr.

Echt tierisch: Christian Niederlein berichtet über Gefahren für Tiere im Straßenverkehr.


Foto: pexels-taras-makarenko
Foto: pexels-taras-makarenko

Ich sitze im Auto mit meiner Mitarbeiterin Laura, wir fahren wie so oft durch Domnitz im Saalekreis zurück in die Praxis. Plötzlich rufe ich „Sag mal, ist das ein kleiner Hund? Ja, tatsächlich.


Der läuft da ganz alleine direkt an der Straße!“ Wir halten rechts und schalten die Warnlampen an. Laura steigt aus, versucht den Hund anzulocken. Doch im gleichen Moment rasen mehrere Autos mit überhöhter Geschwindigkeit und hupend an uns vorbei.


Der Hund rennt ängstlich davon und verschwindet im Ort. In der Praxis angekommen, erzählen wir das meiner Tochter Emily. Sie will ohnehin in diese Richtung fahren und kann rasch noch einmal in Ruhe nach dem Hund suchen. Sie findet ihn tatsächlich, und ein netter Anwohner erklärt sich bereit, den Hund bei uns in der Praxis abzugeben. Wenig später meldet sich eine völlig aufgelöste und weinende Jugendliche, die ihren Hund vermisst. So konnte das ausgebüxte Tier in recht kurzer Zeit wieder zu seiner Besitzerin finden, ohne dabei zu Schaden zu kommen. Nicht der Rede wert, könnte man sagen. Doch ich meine, das ist nicht ganz so banal.


Leider gibt es eine große Anzahl von Verkehrsteilnehmern, die in solchen Fällen nicht vom Gas gehen. Das sich jemand überhaupt die Mühe macht, nach einem offenbar herrenlosen Haustier zu suchen, scheint mir in der heutigen Gesellschaft auch seltener zu werden. Sicherlich gibt es dafür viele Begründungen, wie etwa Zeitdruck. Doch ich fürchte eher, dass es bei etlichen Zeitgenossen eher eine Form von Gleichgültigkeit gegenüber anderen Lebewesen ist, mit der sich dieses Verhalten erklären lässt. Bei einer alltäglichen Reizüberflutung mit zum Teil schrecklichen Bildern scheint es bei einigen Menschen leider auch Auswirkungen auf die Empathie für Tiere zu geben.


Wenn man schon nicht selbst aktiv werden möchte, um ein Tier im Straßenverkehr und damit eben auch vor einer tödlichen Gefahr zu beschützen, wäre es zumindest wünschenswert, die eigene Fahrweise entsprechend anzupassen und – falls sich sonst auch niemand kümmert – rasch die Polizei zu informieren. Wird ein Tier aufgefunden, kann mit Hilfe eines Lesegerätes der mittlerweile recht oft gesetzte Mikrochip am Tier ausgelesen und damit der Besitzer ermittelt werden. Wenn nicht, bleibt nur der Weg in die ohnehin überfüllten Tierheime. Das ist in jedem Fall besser als der Tod oder eine schwere Verletzung des Tieres durch eine Kollision mit einem Auto.


Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich an einem Sonntag vor vielen Jahren einmal auf einer Landstraße mitten in Thüringen eine ausgebrochene Haflingerherde von der Straße gejagt habe. Auch da wurden wir beschimpft, obwohl wir eigentlich nichts damit zu tun hatten. Wir hielten eben als einzige an. Die Leute vom Gestüt haben sich anschließend ganz herzlich bedankt. Kurz nachdem die Pferde von der Straße getrieben waren, kam damals ein Motorradfahrer um die Kurve geschossen. Glück gehabt! Aber auch ein freilaufender Hund kann für einen Zweiradfahrer schon zum Verhängnis werden. Deshalb freue ich mich über jeden, der sich etwas mehr Gedanken macht, wenn er an freilaufenden Tieren vorbeifährt.


Christian Niederlein leitet seit 1996 seine Tierarztpraxis im nördlichen Saalekreis. Der 56-Jährige behandelt als praktischer Tierarzt, Tier-Chiro- und -Heilpraktiker gemeinsam mit seinem Team Pferde- und Kleintierpatienten. In dieser Kolumne schreibt er regelmäßig von seinen Tierabenteuern.

 
 
 

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